Ja, dieses Blog wurde sträflich vernachlässigt in den letzten Wochen.
Obwohl man sich seit zwei Jahren auf das Rennen vorbereitet ist es doch unglaublich wie viel Arbeit dann doch in den letzten zwei Monaten auf einen zukommt: medizinische Untersuchungen, Versicherungen, Equipment besorgen, Sponsorensuche, und nebenbei wie immer: am Boot arbeiten.
Noch im Juli hatte ich außerdem das Vergnügen meine Partnerklasse beim Gymnasium Kirchheim zu Besuchen und Ihnen mein Rennen vorzustellen. Es war wirklich toll mit welcher Begeisterung die Schüler meinem Vortrag zugehört haben und wie viele Fragen sie hatten. Die Schüler werden mich bei meiner Reise auf zweierlei Art begleiten. Zum einen mit einem tollen Bild was sie für mich gemalt haben. Das Bild wurde von der Rennleitung gedruckt und klebt jetzt als Aufkleber in meinem Großsegel. Wann immer ich auf Steuerbordbug segel werde ich das Bild vor Augen haben. Zum anderen haben mir die Schüler aber auch ganz viele Motivationskarten und -Bilder gemalt und geschrieben. Diese Karten sind als kleine Überraschung in fast jedem Essenspaket drin so daß ich fast jeden Tag eine kleine Botschaft zu lesen bekomme. Ich habe noch keine einzige Karte gesehen, das wird also eine große Überraschung. Auf dem Foto kann man den Inhalt eines Essenspakets und eine Überraschungskarte sehen (das ist natürlich nur die Aussenseite der Karte, wie gesagt, ich habe noch nicht gespickt!).
Für mich begann die Arbeit am Transat so richtig erst Mitte August: dann aber ordentlich. Wir haben dem Schiff ein neue Antirutschbeschichtung verpasst, der Rumpf wurde poliert und gewachst, diverse Leinen wurden getauscht, ein Bugspriet mit größerem Durchmesser montiert, die Elektronik überholt, die Ruderlager wurden mit neuen Buchsen versehen und das gesamte Rudersystem ist jetzt ohne Spiel (laut Aussage diverser Franzosen unmöglich dass bei einer Pogo2 hinzukriegen).
Am ersten Septemberwochenende wurde das Boot dann nach Douarnenez überführt. Samstag nachmittag gestartet war es ein konstanter Am-Wind Kurs von Lorient bis nach Douarnenez wo wir am nächsten Morgen ankamen.
Seit dem 9. September ist nun Anwesenheitspflicht in Douarnenez und es stand wiederum einiges auf dem Programm, u.a.:
– Sicherheitscheck & Bootscheck
– Ankercheck (!) – das hatte ich auch noch nie vorher
– Kiel-Check durch Taucher der Rennleitung, es wurde tatsächlich geprüft ob der Kiel das Rechteck in neonfarbe hat.
– Check der Bordapotheke und kleine medizinische Untersuchung, gleichzeitig wurde man gefrat ob man an einer wissenschaftlichen Studie zu Schlaf und Ernährung beim Solosegeln teilnehmen möchte (machen wir natürlich. Für die Wissenschaft!).
– Sicherheitstraining mit Piloten der Luftwaffe und der französischen Search and Rescue Helikopter
– Training zum Empfang des Wetterberichts mit dem Weltempfänger
– Segelcheck
– der obligatorische Dokumenten- und Versicherungscheck mit der Classe Mini
– Interview (kann man hier anhören: http://t.co/yaON7Ql7lN)
– Präsentation der Skipper
Jetzt ist es Donnerstag Abend, morgen ist der letzte Vorbereitungstag, am Samstag geht es los…
Noch auf dem Programm stehen ein METEO Briefing mit unserer Trainingsgruppe Lorient Grand Large sowie das offizielle Wetter-Briefing der Rennleitung.
Am Samstag früh werden wir dann in den Hafen Treboul in Douarnenez geschleppt, dann gibt es noch ein Barbecue sowie letzte Stichproben, ab 13 Uhr werden wir dann für das Rennen rausgeschleppt.
Start ist am Samstag, 19. September um 15:30 Uhr.
Das ganze kann man live per TV verfolgen auf www.minitransat-ilesdeguadeloupe.fr, später gibt es dann natürlich wie gewohnt einen Tracker unter http://minitransat.geovoile.com/2015/ der alle 15 Minuten eine aktuelle Position von uns liefert.
Ab Samstag heißt es dann Daumen drücken für die 1. Etappe nach Lanzarote. So wie es momentan aussieht könnte das eine windige aber schnelle erste Etappe werden.
Im Juni stand das für mich erste Mini-Rennen dieses Jahres an: Das Mini Fastnet.
Da ich wegen Problemen mit der Verbindungsstange zwischen den Ruderblättern das Mini en Mai nicht mitfahren konnte wurde die Teilnahme am Mini Fastnet noch ein wenig wichtiger: Es würde das letzte Fehlende Rennen zu meiner Transat-Qualifikation sein.
Die Tage vor dem Rennen verliefen recht entspannt. Das Boot war vorbereitet und so arbeiteten mein Mitsegler Björn Freels und ich an der Navigation und erledigten “nice to have” Dinge an Bord.
Am Samstag den 13. Juni wurde in der Bucht von Douarnenez dann ein Prolog mit zwei Runden auf einem Dreieckskurs gesegelt bei dem wir uns an einander gewöhnen konnten, immerhin war es fast zwei Jahre her seit wir das letzte Mal zusammen gesegelt waren. Ein 10. Platz im Prolog machte Lust auf mehr.
Der Start zum eigentlichen Rennen war dann am Sonntag den 14.6. um 16 Uhr. Bei Wind um die 10kn kamen wir einigermaßen gut über die Linie, trauten uns dann aber nicht den extremen Schlag nach rechts zu machen und hielten uns eher in der Mitte wodurch wir direkt in der 2. Hälfte des Feldes lagen.
Bei der Ansteuerung und Durchquerung des Chenal du Four unterlief uns dann ein fataler Fehler. Unser Roadbook besagte dass wir bereits mitlaufenden Strom haben sollten weshalb wir die Buchten am Anfang nicht so konsequent aussegelten wie viele andere und wurden noch einige Plätze nach hinten durchgereicht.
Bei Sonnenuntergang waren wir aus dem Chenal heraus und segelten als fast lee-wärtigstes Boot der Flotte am Wind durch die Nacht. Der Wind schwankte in der Stärke, blieb aber eigentlich immer um die 10kn und wir hangelten uns durch etwas mehr Höhe wieder an das Feld heran. Andy&Craig (587) und Becky&Hester (807) waren beide nur 0.3sm weg von uns, da fühlten wir uns in guter Gesellschaft.
Am Wind ging der Montag weiter bis nachmittags der Wind für einige Stunden einschlief und wir mitten auf dem Ärmelkanal trieben. Glücklicherweise wurde die noch recht kompakte Flotte von “Ushant Traffic” der Berufsschifffahrt mitgeteilt die einen großen Bogen um uns fuhren.
In der Nacht zu Mittwoch segeln wir nur noch mit einem Boot in Sichtweite, das Feld hat sich stark auseinander gezogen und aufgefächert. Zudem steht die Frage an ob man mit damit rechnet die angekündigte Kaltfront noch auf dem Weg zu “Stags” (einer Kardinaltonne vor der irischen Küste) zu bekommen oder nicht. Daraus ergäbe sich nämlich ein Winddreher den man entsprechend ausfahren könnte.
Wir entscheiden uns für den konservativen Ansatz und halten uns recht nah an der Linie und begegnen bei der Kreuz kurz vor Stags noch 4 anderen Booten. Der Wind hat auf 18-23kn zugenommen und bei starkem Tidenstrom und einer kurzen Welle ist unsere Am-Wind-Speed nicht so berauschend. Am Ende müssen wir 3 der 4 Boote durchlassen und runden Stags am Donnerstag Nachmittag.
Nun stehen noch einige Stunden Kreuz an bevor wir endlich gegen ca. 22:30 Uhr den beeindruckend im Abendrot leuchtenden Fastnet Rock runden.
Kaum frei von den Felsen setzen wir die Code5 um an der westlichen Seite des Fastnet VTG vorbeizufahren und genießen traumhafte 20 Minuten lang eine Speed von 9kn, in den Surfs 13.
Schnell ist das VTG vorbei und wir wechseln auf den großen Spi um Richtung Ouessant abzufallen. Auch mit großem Spi bleiben wir bei einem Schnitt von 8kn und freuen uns auf eine schnelle Nacht doch bereits 20 Minuten später nimmt der Wind auf 6-8kn ab und die Rauschefahrt ist vorbei. Zudem dreht der Wind auf NW so daß wir ihn nun auch noch von exakt hinten haben: also vor dem Wind kreuzen.
Der Donnerstag und Freitag sind zum verwechseln ähnlich: bei strahlendem Sonnenschein mit leichter lockerer Bewölkung schwankt der Wind zwischen 4 und 12kn, kommt direkt von hinten und die beeindruckende Welle macht es schwierig einen guten Trimm zu finden bei dem der Spi steht und wir möglichst schnell in Richtung Ziel fahren.
Am Samstag morgen schließlich, um 06:28 Uhr überqueren wir schließlich die Ziellinie vor Douarnenez.
Um die ca. 600sm lange Strecke zu schaffen sind wir am Ende 714sm gesegelt.
Im Ziel stellt sich heraus dass es ein “the rich get richer”-Rennen war: je früher man um den Fastnet Rock herum kam desto länger hatte man die Downwind-Strecke mit viel Druck und umso weniger flaue Winde. Andy&Craig (zur Erinnerung, im Ärmelkanal 0.3sm vor uns, bei Land’s End 0.8sm vor uns) waren am Freitag um 16 Uhr im Ziel, 14h vor uns!
Mit dem Wissen dass da eigentlich ein wenig mehr drin gewesen wäre ziehen Björn und ich aber ein versöhnliches Fazit unter dieses Rennen: wir hatten sehr schönes Segelwetter (wann hat man schonmal die Gelegenheit 2 1/2 Tage lang den großen Spi stehen zu lassen!?) und unsere Speed war im großen und ganzen auch ok. An Bord gab es kein einziges noch so kleines Problem, bis auf drei Leckende Schrauben und die Mastdurchführung gibt es nichts gravierendes an Bord zu tun.
Das Boot geht jetzt in die Werft für ein neues Unterwasserschiff und einige kosmetische Reparaturen. Dann wird die Elektrik noch ein wenig überarbeitet damit das Boot bereit ist für das große Rennen im September: das Mini Transat!
Heute will euch mal zwei Helfer vorstellen die bei mir – neben Dyneema – an Bord unverzichtbar geworden sind: Sugru und Dual Lock
Dual Lock von 3M (Amazon-Link) ist eine Art Klettband bei dem allerdings beide Seiten gleich aussehen – im Gegensatz zu klassischem Klettband bei dem es eine fusselige und eine raue Seite gibt.
Das Zeug ist so gut dass man damit sogar schwerere Gegenstände an der Bordwand befestigen kann. Bei mir sind z.B. der Datalogger, Splitter, Solarladegerät, uvm. mit dem Band am Rumpf fixiert. Man kann die Geräte zur Inspektion schnell abnehmen und anschliessend wieder ankletten.
Auch Thermoskanne uvm. sind mit dem Band ausgestattet und lassen sich so an verschiedenen Stellen unter Deck oder im Cockpit befestigen. Die Leinentaschen im Cockpit werden seitdem wieder mehrheitlich von Leinen in Anspruch genommen.
Sugru (Amazon-Link) ist eine Silikonmasse die sich mit den Fingern formen lässt (also nicht klebrig ist) und an der Luft aushärtet. Damit lassen sich prima beanspruchte Kabelstellen am Stecker verstärken und kleine Kabeldurchführungen wasserdicht machen. Auch ein nicht gut sitzender Klinke-Stecker am Ausgang des Funkgeräts konnte damit dauerhaft in der richtigen Position fixiert werden.
Davon hab ich jetzt immer ein paar kleine Pakete dabei um schnell kleine Lecks stopfen zu können.
Hinweis: ich bekomme keines der Produkte zur Verfügung gestellt oder irgendwie vergünstigt. Das hier ist einfach nur ein Tipp 🙂
Es ist Freitag früh, wir haben um 1 Uhr morgens den Pt. de Raz bei Gegenstrom passiert, jetzt weht der Wind exakt aus Richtung des Point de Penmarc’h, der Landspitze welche das südliche Ende der Bucht von Audierne darstellt. Nach einem kurzen Schlag in Richtung Audierne schlägt bei mir die Müdigkeit zu und ich wende in Richtung offener See um ein wenig zu schlafen. Der Autopilot ist im Windmodus und steuert dem scheinbaren Windwinkel nach, ein Modus der gut für maximale Geschwindigkeit ist, aber bei Winddrehern blöd ist weil das Boot entsprechend mit dem drehenden Wind mitfährt. Genau das passiert mir diese Nacht, ich verschlafe (wörtlich) einen 30 Grad Winddreher und fahre zeitweise nach Nordwest bis ich den Fehler bemerke.
Bei Sonnenaufgang passiere ich den Point de Penmarc’h und der Wind dreht zurück, jetzt müsste ich eigentlich den direkten Kurs auf das Plateau de Rochebonne vor La Rochelle nehmen doch mein Wendewinkel ist bei flauem Wind und großen Wellen so ungünstig dass ich stattdessen auf dem anderen Bug in Richtung Îles de Glénan fahre bis nachmittags endlich ein Winddreher und etwas mehr Wind kommt.
Die Küstennähe nutze ich um per Handy einen Wetterbericht abzuholen der mir für den Abend und die Nacht 20 bis 25 Knoten aus Südwest, morgens dann Süd ansagt. Das klingt nicht schlecht, zumindest Südwest würde einen Reach unter Fock bedeuten also fahre ich gen Süden und halte mich etwas rechts der Linie um ein wenig Puffer zu haben falls der Wind tatsächlich auf Süd drehen sollte. Der Wind nimmt zu, bleibt aber auf Südwest und bereits am nächsten Morgen um sechs Uhr runde ich das Plateau de Rochebonne, 4 Stunden bevor es mir das Routing vorausgesagt hatte. Die Nacht war bis auf einige Frachtschiffe ereignislos und ich komme dazu Schlaf zu tanken während wir mit 7 bis 8 Knoten vorankommen.
Als die letzte Tonne des Plateau de Rochebonne gerundet ist kann ich abfallen und setze den mittleren Spi, mit absolutem Traumsegeln: Sonnenschein, 16-20kn Wind der leicht auf Süd dreht. So rauschen wir mit 10 Knoten und schönen Surfs an der Südküste der Île de Ré vorbei in Richtung La Rochelle.
Eine Halse, dann weiter unter Spi zur Brücke, da steigt mir der Hochmut ein wenig in den Kopf und ich fahre mit Spi unter der Brücke durch. Ein Fehler denn noch zwischen den Brückenpfeilern muss ich die Spischot loswerfen: ein Düsen-Effekt sorgt dafür dass auf der Nordseite der Brücke 20 Knoten wehen und so berge ich keine 5 Meter hinter der Brücke den Spi und am Wind geht es an der Nordküste der Île de Ré wieder nach Nordwesten.
Der letzte offizielle Wegpunkt meiner Qualifikation ist jetzt gerundet und ich bin guter Dinge: nur noch 100 Meilen zu segeln.
Kaum liegt die Île de Ré hinter uns kann ich erst die Code5, dann den großen Spi setzen und wir fahren mit 5 Knoten in die Abenddämmerung hinein, im Kopf rechne ich bereits meine Ankunftzeit in Lorient aus.
Nach einigen Begegnungen mit Fischerbooten vor Les Sables d’Olonne die etwas zu nah für meinen Geschmack waren habe ich das Meer wieder für mich und fahre unter Spi in die Dunkelheit, dann flaut der Wind immer weiter ab und schließlich habe ich absolute Flaute, wieder mal. Die Nacht verbringe ich unter Deck auf meinem großen Spi schlafend, stelle mir aber für alle 30 Minuten den Wecker um zu sehen ob es Wind gibt. Doch es wird eine schlafreiche Nacht: erst morgens um 7 kommt ein Wind von 1-2 Knoten auf mit dem wir langsam wieder vorankommen.
Kurz danach kann ich den Spi wieder setzen und wir haben noch einmal traumhaftes Segeln: großer Spi, 12-15kn Wind, so kommen wir wieder mit 6-7 Knoten voran und können die Frachter die nach St. Nazaire ein- und auslaufen entspannt passieren.
Wir haben einen Anlieger zwischen Belle Île und Île de Quiberon direkt auf Lorient zu, die Sonne scheint, ich öffne meine letzte beste Verpflegung da schlägt die Flaute wieder zu. Es werden nervenzerreissende Stunden die ich südlich von Belle Île treibe, kein Windhauch weit und breit, keine Wolken und das Ziel Lorient zum greifen nah. Schlecht gelaunt kommentiere ich die Situation in meine GoPro und überlege mir ein anderes Hobby zu suchen.
Erst gegen Abend kommt ein wenig Thermik auf, der Wind kommt natürlich direkt aus Richtung Lorient: Also noch einmal eine letzte Kreuz mit eiskaltem Wind durch die Nacht, dann mache ich endlich morgens um sechs Uhr im Hafen von Lorient fest – 8 Tage und 17 Stunden nachdem ich ihn verlassen hatte.
Hier noch paar Impressionen vom Qualifier. Einige Fotos sind aus Videos rausgeschossen in denen ich was erzähle, daher manchmal die etwas komischen Grimassen.